::: PRESSE

Bundeskongress Chirurgie: Kritik an europäischen Leitlinien zur Hernienchirurgie

Im Jahr 2009 hat die Europäische Herniengesellschaft (EHS) erstmals Leitlinien für die Behandlung von Leistenhernien bei Erwachsenen veröffentlicht. Demnach wird sowohl für einseitige als auch für beidseitige Primärhernien die Netzplastik nach Lichtenstein empfohlen, bei entsprechender Erfahrung und Expertise des Operateurs auch laparoskopische Verfahren. Kritik an diesen Empfehlungen äußerte der niedergelassene Chirurg Dr. Andreas Koch aus Cottbus im Rahmen des Bundeskongresses Chirurgie, der vom 21. bis 23. Februar 2014 in Nürnberg stattgefunden hat.

„Wer die EHS-Leitlinien studiert, muss den Eindruck haben, dass die konventionellen Nahtverfahren in der Hernienchirurgie keinerlei Bedeutung mehr haben – es gibt nur keine Studien, die ihren Stellenwert belegen“, meinte Koch. Tatsächlich aber seien sie noch weit verbreitet und hätten weiterhin ihre Berechtigung – insbesondere auch in der Ausbildung. „Bevor die verschiedenen Netze aufkamen, lagen die Rezidivraten bei der Hernienoperation nach Shouldice bei etwa 15 Prozent. Natürlich sind 15 Prozent viel, doch gleichzeitig sagt uns diese Zahl, dass die Shouldice-Operation in 85 Prozent der Fälle ausreichend und erfolgreich war. Warum also sollten heute alle Patienten ein Netz bekommen?“ Koch warnte, dass die statistische Aussagekraft der Studien, die den EHS-Leitlinien zugrunde liegen, nicht sehr hoch ist: „Diese Leitlinien bewegen sich statistisch gesehen auf dünnem Eis. Umso mehr müssen wir darauf achten, sie nicht vehement zu pushen und uns vor allem auch juristisch nicht darauf festnageln zu lassen.“

Seine Kollegen im Plenum erinnerten daran, dass in Haftungsfällen nicht zwingend das leitlinienkonforme Handeln, sondern die Behandlung nach dem medizinischen Standard nachgewiesen werden muss. Der medizinische Standard definiere sich aber nicht ausschließlich über die Experten-Leitlinien, sondern auch aus der individuellen Erfahrung und Spezialisierung des Operateurs. So betonte Priv.-Doz. Dr. Dirk Weyhe (Oldenburg): „Wer einen Bassini normalerweise routiniert und gut operiert und dies auch belegen kann, der kann diese OP-Methode auch ohne juristische Bedenken weiter anwenden – obwohl Bassini als OP-Methode nicht einmal mehr in den EHS-Leitlinien erwähnt wird.“

(Quelle: www.bncev.de)

 

Deutscher Chirurgenkongress Nürnberg

Interview mit Dr. Ralph Lorenz und Dr. Andreas Koch

Deutscher Chirurgenkongress Nürnberg

Auf dem Stand der BDC konnte sich unser Chefredakteur Karl-Heinz Scholz mit Dr. Ralph Lorenz und Dr. Andreas Koch zusammensetzen und eine Menge wertvolle Informationen sammeln.

Nabelhernie – Wie operieren?

Nabelhernien stellen eine Erkrankung der Kleinkinder bis zum vierten Lebensjahr und der Erwachsenen über 40 dar. Das Spektrum der OP-Methoden ist vielfältig. Welche OP-Methode ist wann indiziert?

Die Inzidenz von Nabelhernien beträgt zur Geburt 30 bis 40 Prozent, bis zum zweiten Lebensjahr 15 bis 30, nach dem dritten Lebensjahr 10 Prozent. im Erwachsenenalter sinkt sie auf 2 Prozent. 80 bis 90 Prozent aller inkarzerierten Nabelhernien werden bei erwachsenen Frauen beobachtet. Aufgrund des hohen Inkarzerationsrisikos sollte im Erwachsenenalter die Operationsindikation großzügig gestellt werden.

Für die Versorgung der Nabelhernien steht eine Vielzahl von Methoden zur Verfügung, offen wie auch endoskopisch. Onlay- und Inlay-Techniken sollten aufgrund der hohen Rezidivtraten nicht mehr angewandt werden. Nabelhernien bis 1 cm lassen sich bei geringer Rezidivrate mit Nahttechniken versorgen.
Implantation von Composite Netzen
Implantiertes Netz mit Fixation an den Faszienrändern

Implantiertes Netz mit Fixation an den Faszienrändern

Die Mehrzahl der Nabelhernien findet sich mit einer Größe von >1bis 4 cm. Für diese Form hat sich die offene intraperitoneale Implantation von Composite Netzen bewährt. Neuere Netze, beispielsweise das Ventralex ST (Bard®), haben eine Seprafilm Beschichtung zur Vermeidung von Adhäsionen. Der Durchmesser sollte immer ca. doppelt so groß sein wie die Bruchlücke. Die Fixation erfolgt an den Faszienrändern, gefolgt von einer fortlaufenden Fasziennaht. Diese Verfahren sind auch ambulant sicher und mit hohem Patientenkomfort durchführbar.
Offene Sublaytechnik

Für größere Bruchlücken stehen Sublay- oder sowohl offene als auch laparoskopische intraperitoneale Netztechniken zur Verfügung. Die geringsten Komplikationsraten werden für die offenen Sublay-Techniken beschrieben. Bei entsprechender Expertise können auch endoskopische Techniken mit geringen Komplikationsraten angewandt werden. Jedoch ist die Lernkurve lang und Langzeitergebnisse, insbesondere hinsichtlich Adhäsionen, sind derzeit noch rar. Einen Sonderfall stellen Nabelhernien bei Aszites dar. Hier sollten wegen der Infektions- und Fistelgefahr ausschließlich extraperitoneale Techniken Anwendung finden.

Hier gelangen Sie zum Vortrag von Dr. Koch über Nabelhernienversorgung.

Dr. Andreas Koch
Facharzt für Chirurgie/Viszeralchirurgie, Cottbus

(Quelle: www.dgch-onlinekongress.de)

Sportlerleiste: Chirurgen warnen vor übereilter Operation

Berlin, Juni 2012 – Schmerzen in der Leistengegend sind vor allem bei Fußballern und anderen Mannschaftssportlern häufig. Die Beschwerden gleichen denen eines Leistenbruchs, doch eine sogenannte Hernie ist bei den jüngeren Sportlern selten. Ein Experte spricht sich deshalb in der Fachzeitschrift „Passion Chirurgie“, des Berufsverbandes Deutscher Chirurgen (BDC), für eine zurückhaltende Entscheidung zur Operation aus.

„Fünf bis sieben Prozent aller verletzungsbedingten Unterbrechungen des Spielbetriebes im Fußball sind auf Leistenbeschwerden zurückzuführen. Immer häufiger lautet die Diagnose Sportlerleiste“, schreibt Dr. med. Andreas Koch vom Berufsverband Deutscher Chirurgen. Doch der Begriff ist völlig unklar definiert, kritisiert Chirurg Koch. Ursache können akute Verletzungen oder auch chronische Veränderungen an Muskeln, Sehnen und Gelenken sein, oder aber Weichteilerkrankungen, zu denen die Leistenhernie gehört. Koch zählt 17 verschiedene Krankheiten auf, die Beschwerden einer Sportlerleiste auslösen: „Auch Erkrankungen in Rücken, Beinen oder Füßen können zu Schmerzen in der Leiste führen. Der Arzt müsse deshalb immer den ganzen Patienten untersuchen“, fordert der Chirurg, der als Mannschaftsarzt des FC Energie Cottbus Erfahrungen mit der Sportlerleiste gesammelt hat.

Beim einzelnen Patienten die richtige Ursache zu erkennen, fällt auch Experten schwer. Koch plädiert deshalb zunächst für gezielte physiotherapeutische Maßnahmen zur muskulären Stabilisierung. Auch Injektionen mit Schmerzmitteln oder Kortison können helfen, die Beschwerden zu lindern. Die komplexen Schmerzen um das Schambein herum sind von reinen Leistenschmerzen abzugrenzen, die eine Operation erforderlich machen. Bei einer Nervenkompression muss die Einengung rechtzeitig beseitigt werden, um dauerhafte Schäden zu vermeiden.

Generell komme eine Operation erst in Frage, wenn keine andere Ursache gefunden wird oder ein eindeutiger Leistenschmerz ohne Beeinträchtigung des Schambeins und der Adduktorenmuskulatur vorliegt.

Die Chirurgen stabilisieren dabei die Hinterwand des Leistenkanales, was durch die Einlage eines Kunststoffnetzes oder durch Nahtverfahren ohne Netz erfolgen kann. Bei Sportlern hingegen kommt häufig ein Nahtverfahren zum Einsatz. Bei der Entscheidung für oder gegen ein Netz muss nach Ansicht von Koch berücksichtigt werden, dass ein junger sportlicher und körperbewusster Mensch mindestens 50 Jahre mit einem solchen Netz beschwerdefrei leben sollte. „Die Haltbarkeit der heute verwendeten Netze sei aber nicht bekannt. Verwachsungen mit der Umgebung können später erneut Schmerzen auslösen“, warnt Dr. Koch. Eine übereilte Operation bei Beschwerden die auch das Schambein und die Muskelansätze betreffen, könne deshalb langfristig nachteilige Folgen für die Patienten haben.

Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe der „Passion Chirurgie“ sind Sportverletzungen. Am Beispiel von mehreren spezifischen Sportverletzungen und ihren jeweiligen Therapiemöglichkeiten zeigen die Autoren der Fachzeitschrift eine differenzierte Betrachtung des Feldes der chirurgischen Sportmedizin auf.

(Quelle: Pressemitteilung Jakobi S. © BDC online vom 01.08.2012)